Hässige Mütter und unengagierte Väter?

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Wie werden Mutter und Vater ein Team? Auf jeden Fall wird es anstrengend. Denn es ist nicht so, wie viele werdende Eltern es sich vorgestellt haben.

Die körperlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für Mütter und Väter sind ganz verschieden – aber auch die Bereitschaft und der Wille zum Familien-Beitrag.

Aus verschiedenen Gründen verschiebt sich nach dem kurzen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen die Hauptbeschäftigung des Mannes wieder in die Arbeitswelt. Teils von Bedauern oder von Unsicherheit begleitet, teils willkommen als Möglichkeit, wieder am früheren Leben anzuknüpfen. Manchmal ist ihm schon nach diesen vierzehn Tagen klar, dass die Arbeit im Erwerbsleben im Vergleich weniger anstrengend ist als 8 Stunden Zusammensein mit einem Baby.

 

Erarbeitung von Kompetenzen

Gerne vergleiche ich die Betreuungsarbeit für ein Baby mit anderer hochwertiger Arbeit. Denn die sogenannte „Care-Arbeit“ ist komplex, verantwortungsvoll, individuell, braucht Präsenz und Durchhaltekraft. Wenn nur wenig Kompetenzen vorhanden sind – wie bei Berufsanfängern und Erst-Eltern der Fall – braucht es Fokus und Engagement, um das Manko aufzuholen und sich zu steigern. Kompetenzen verbessern sich nur durch tatsächliche, praktische Durchführung der Aufgaben. Wer Skills erwerben will, muss üben und trainieren. Die tägliche Praxis verfeinert die Herangehensweise, gibt schliesslich einen Überblick und schärft die Sinne für die Details. Diese Konsequenz ist nicht nur bei Erwerbsarbeit zu sehen, sondern lässt sich 1:1 auf Care-Arbeit und Haushaltsführung übertragen.

Herausforderungen, besonders heikle Posten, schwierige Entscheidungen, Abwägungen und Balanceakts werden nur durch viel Praxis und Erfahrung handhabbar. Nicht nur das Handling der Aufgaben wird besser, auch die Vorhersehbarkeit wird grösser und ungeplante Störungen werden seltener.

Wer von den Eltern mehr Zeit mit dem Baby verbringt, die oder der entwickelt mehr Fähigkeiten und wird kompetenter. Wer sich zuständig fühlt, die Verantwortung übernimmt und die (Care-)Arbeit wirklich macht, wird sicherer, geeigneter und wirksamer. Wer mehr Zeit mit einem Baby verbringt, wird auch als Bindungsperson attraktiver, was wiederum Betreuung, Pflege und Kommunikation erleichtert. Win-win-win auf allen Ebenen.

 

Übernahme von Verantwortung

Ob Leitung eines Bauprojekts oder Packen der Wickeltasche, ob Planung einer Vorstandssitzung oder Tagesplanung mit einem Säugling – es geht um Verantwortung und Zuständigkeit.

Schnurzegal, welche Aufgaben anfallen in der Administration, bei der Inspektion, am Empfang, im Kunstatelier, hinter dem Postschalter, in der Krankabine, im Schulzimmer, im Aussendienst, im Operationssaal, im Ladenlokal, bei der Grossbank oder im KMU – bei der Erwerbsarbeit wird Verantwortungsübernahme geschätzt und, wo immer möglich, eine Karriere darauf ausgerichtet.

Ich frage mich: Warum funktioniert diese Verantwortungsübernahme bei Vätern nur so selten im gemeinsamen Unternehmen Familie und in der Projektgruppe Care-Arbeit? Arbeit ist doch einfach Arbeit. Warum wird im Gegensatz zum Berufsleben genau hier in der Familie von den Vätern die Assistentenrolle bevorzugt?

Diese Herangehensweise sieht auf den ersten Blick zuvorkommend und unterstützend aus: „Ich hätte sofort geholfen, wenn du mich gerufen hättest“ – „Du musst es nur sagen, dann bin ich bereit“ – „Ich bin ja jederzeit da für euch“ – „Gib mir einfach Bescheid, dann mache ich es“ – „wenn du gesagt hättest, dass das so wichtig ist, dann hätte ich darauf geachtet“ – etc.

Wer länger und etwas näher hinschaut, bemerkt aber folgendes: Es ist eigentlich recht bequem für Väter, eine explizite Aufforderung zu erwarten, nicht selbständig merken zu müssen, wann der Moment da ist.

 

Assistenz und Kritikfähigkeit

Die Annahme, dass eine freundliche Einladung zum Einsatz explizit zugespielt wird, ist angesichts der Komplexität des Projekts Babybetreuung ein klarer Verstoss gegen jede (Arbeitsplatz)Regel und ein Zeugnis fehlenden Engagements.

Bei Kritik von Mütterseite her sehen viele Väter die Verantwortung also nicht bei sich, sondern bei der fehlenden Aufforderung. Anstatt über eine Kritik nachzudenken, werden vergessene, nicht angefangene, unwichtig erachtete väterliche Aktionen als unterlassener Appell oder fehlende Kommunikation der anderen Person angelastet. Meiner Meinung nach im Berufsleben nicht denkbar. Diese Komfortzone kann sich niemand leisten, der ein aktiver Vater und Mitarbeiter sein will und das auch gegen aussen gerne so durchscheinen lässt.

Nehmen wir an, Väter würden tatsächlich die assistierende Funktion bevorzugen – warum wird dann gegenüber Anweisungen der Leitungsperson derart skeptisch reagiert? Es wird gezweifelt, gestänkert, (un)bewusst Sabotage getrieben, passiver Widerstand geleistet, manchmal sogar Zermürbungstaktiken angewendet:

„Es muss ja nicht so sauber sein, das geht auch mit weniger Aufwand“ – „also meine Kollegen helfen zu Hause viel weniger als ich“ – „Ich finde das übertrieben!“  – „Du kannst froh sein, mache ich das überhaupt“ – „Sei doch endlich mal zufrieden“ – „Du wolltest ja am Anfang zu Hause bleiben“ –« Meine Kollegen finden, du bist eine Meckertante» – „Jetzt ist halt grad viel los bei der Arbeit, das musst du verstehen“ – „Du musst ja nicht arbeiten“ – „Was willst du noch mehr?“ – „Das ewige Kritisieren geht mir auf den Keks“ – „Es wäre mir lieber, wenn du etwas chilliger drauf wärst“ – „Wenn es dir nicht gefällt, dann …“

Mütter fragen mich, ob sie wirklich den Vätern etwas sagen dürfen, wenn sie solche Sätze hören. Sie fragen sich, ob es sich lohnt, die restliche Harmonie in der Familie zu gefährden oder die Beziehung auf die Probe zu stellen – denn eine Paar-Krise könnten sie zu diesem Zeitpunkt neben dem Schlafmanko und dem Betreuungsaufwand und der Teilzeitarbeit nicht auch noch aushalten.

 

Zuständigkeit klären

Nach dem Schreiben des vorherigen Abschnitts bin ich aufgewühlt und wütend. Was vordergründig gezeigt wird und was im Hintergrund dazu abgeht, macht mich für die Zukunft von Müttern und Vätern traurig.

Einige Väter möchten zuständig sein. Das wird in den Gesprächen zu Dritt immer wieder klar. Sie möchten von sich aus eine aktive Rolle übernehmen. Aber sie fühlen sich auch von aussen dazu gedrängt. Aus dieser Unsicherheit heraus werden sie störrisch und widerspenstig.

Sie merken, dass sie einiges weniger gut können als die Mütter. Viele nehmen das persönlich und fühlen sich deswegen nicht kompetent. Das kompensieren sie mit Anspruch auf Eigenständigkeit und eigenem Vater-Kind-Projekt, statt mit Teamarbeit. Sie hören nicht zu, wenn ihnen von Mütterseite ein Vorschlag gemacht wird. Und sie verweigern sich bewährten Abläufen.

 

Anleitung und Feinfühligkeitstraining

Mir geht es nicht darum, dass die Väter es gleich machen müssten wie die Mütter – das wird nicht funktionieren. Aber die Erfahrung und die Praxis der Mutter ihres Babys müssen sie einfliessen lassen. Und sie müssen bereit sein zu üben und wirklich zuständig zu sein. Wer ein Baby betreuen will, muss das häufig machen. Auch am Wochenende und am Abend nach der Arbeit. Also immer wieder da sein und deshalb die wechselnden Bedürfnisse des Kindes erleben und lernen von der Person, die mehr Erfahrung damit hat.

Wie soll eine Mutter ihrem Partner vertrauen, wenn sie das Baby (zu) lange schreien hört? Wenn sie weiss, was fehlt, was Beruhigung bringen würde? Auf der Arbeit würde niemand einem Newcomer ein wertvolles Projekt anvertrauen, wenn die Skills zur Betreuung fehlen. Aber oft wird von den Müttern verlangt, dass sie die Väter auch mal einfach machen lassen sollen.

Ja – sie sollen sie machen lassen: dann, wenn sie erlebt haben, dass der Vater sich Kompetenzen erarbeitet hat. Dass er alternative Formen kennt, um Halt, Nähe und Regulation bei Stress anzubieten. Wenn er die Zeichen für Hunger, Müdigkeit und Overload beachtet und entsprechend feinfühlig darauf reagiert.

Dieses Verständnis für Beobachtung und feinfühlige Reaktion wird nur wachsen, wenn sich die Väter von sich aus zuständig fühlen. Wenn sie bereit sind, sich auf eine neue Arbeit und Erfahrung einzulassen, wenn sie bereit sind, tatsächlich ein Vater werden zu wollen. Sich als Vater zuständig zu fühlen, wird nicht leicht sein. Aber es wird gesehen und geschätzt werden und der Teamarbeit als Eltern sehr zuträglich sein.

 

Meine Forderung an Väter

Wie schon gesagt, das wird nicht angenehm.

Es braucht innere Bereitschaft, bekannte Verhaltensweisen zu ändern, sich von Vertrautem zu verabschieden. Bekannte Väter-Bilder loszulassen, fehlende Väter-Vorbilder zu betrauern, ein eigenes Vater-Bild zu kreieren. All das machen Mütter in ihrer Mutterrolle auch und werden dazu noch körperlich «völlig umgekrempelt».

Gesellschaftliche Überlegungen müssen gemacht werden. Dazu müssen Privilegien von Männern hinterfragt und «Fragile Masculinity/Male Fragility“ ein Thema werden.

Wenn Privilegien verschwinden sollen, dann muss Gleichberechtigung den Männern wehtun. Wenn väterliche Privilegien abgeschafft werden sollen, dann wird es Unsicherheit und Unannehmlichkeiten geben sowie Missvergnügen, Verdruss und Ärger.

Und zwar auf Seite der Väter, nicht der Mütter.

Mütter dürfen verlangen, dass kompetent zu ihrem Baby geschaut wird. Mütter müssen nicht einfach zufrieden sein mit dem, was dem Vater ihres Kindes «grad gäbig» geht.

 

Bild: beobachter.ch/familie/kinder

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